"Mac´s Interview´s".

Der Fluch der Väter
Leiden eines Kinderstars: Macaulay Culkin wird 25

BERLIN, 25. August. Er habe weder eine Entziehungskur hinter sich noch je eine Nacht im Knast verbracht - auch wenn alle Welt das glaube. "Ich habe hart versucht, alle diese Kinderstar-Klischees zu vermeiden", hat Macaulay Culkin einmal gesagt. Die Internet-Filmdatenbank Imdb.com zitiert ihn mit diesem Satz, dazu listet sie auf, was über Macaulay Culkins junges Leben alles öffentlich geworden ist. Es ist eine ganze Menge für einen, der an diesem Freitag gerade 25 Jahre alt wird. Macaulay Culkin war 1990 "Kevin allein zu Haus". Es war nicht die erste Rolle des Zehnjährigen, aber die, die ihn auf einen Schlag zum Superstar machte. Zu einem Kinder-Superstar, dem bestbezahlten, den es je gegeben hat.

Neun Jahre Drehpause

Seitdem ist in Macaulay Culkins Leben so viel passiert, dass man leicht den Überblick verliert. Eine Entziehungskur und eine Haftstrafe scheinen tatsächlich nicht darunter zu sein - aber so ziemlich jedes andere Kinderstar-Klischee, das einem einfällt: etwa eine Hochzeit mit 18 und eine Scheidung mit 20, ein Burn-Out mit 14, ein Kofferraum voller Antidepressiva ohne Rezept, das Geständnis, alles an Drogen probiert zu haben, zu deren Konsum man sich keine Nadel in den Arm jagen muss.

Auch eine Drehpause von neun Jahren hat Macaulay Culkin schon hinter sich. 1994 verkündete der 14-Jährige, sich zur Ruhe setzen zu wollen. Er hatte in diesem Jahr drei Filme gedreht, für die letzten beiden kassierte er jeweils acht Millionen Dollar Gage. Kein anderes Kind soll je so viel beim Film verdient haben. "Es ist vorbei. Ich hoffe, alle haben genug Geld gemacht", sagte er. Im nächsten Jahr zogen seine Eltern vor Gericht. Das unverheiratete Paar stritt um das Sorgerecht für seine insgesamt sieben Kinder - und um das Vermögen von Macaulay, dem drittältesten.

Der Junge schlug sich auf die Seite der Mutter. Der Vater hatte als Manager die Karriere seines Sohnes betrieben und auch die meisten von dessen Geschwistern in ein paar Filmen untergebracht. Wahrscheinlich wusste Christopher Culkin nicht, was man sonst mit kleinen Kindern anfangen soll. Seine eigenen Eltern ließen ihn und seine Geschwister von klein auf in New Yorker Theatern arbeiten, erst als die strenge Mutter starb, hörte der 19-jährige Christopher auf zu spielen. Sein Sohn Macaulay war gerade vier, als er zum ersten Mal in einem New Yorker Theater auftrat. Mit acht drehte er seinen ersten Spielfilm.

Als der Teenager zusammenbrach, hatte er 17 Filme gedreht. Den vorzeitigen Ruhestand hielt Macaulay Culkin nicht durch. Als seine Frau den 20-Jährigen zum Vater machen wollte, flüchtete er aus der Ehe. Er spielte in Theatern, seit 2003 dreht er wieder Filme, er hat einen autobiografischen Roman geschrieben, der 2006 erscheinen soll.

In die Schlagzeilen geriet Macaulay Culkin zuletzt, als er Michael Jackson vor Gericht gegen den Vorwurf des Kindesmissbrauchs verteidigte. Absolut lächerlich sei das, sagte Culkin. Michael sei ein guter Freund, beide hätten das gleiche mit ihren Vätern durchgemacht: "Wir werden beide für immer acht Jahre alt sein, weil wir niemals eine Chance hatten, acht zu sein."

Wie der Culkin-Clan zur jüngsten Schauspielerfamilie Hollywoods wurde

Nesthäkchen in Großfamilien haben es schwer. Sie stehen in der Hackordnung unten und müssen die Kleider der älteren Geschwister auftragen. Auch Rory Culkin führt eine solche Secondhand-Existenz. Aber das jüngste von sieben Kindern schlüpft nicht in abgetragene Hosen, sondern in abgelegte Rollen. Eigentlich wollte der Regisseur des Teenager-Dramas "Mean Creek", das derzeit in den Kinos läuft, Rorys fünf Jahre älteren Bruder Kieran besetzen. Dann wurde die die Finanzierung kompliziert und der Kleinste kam an die Reihe. "Ich war sozusagen die letzte Wahl", meint der 15jährige. "Doch das machte mir nichts aus. Eigentlich bin ich ganz froh, der Jüngste zu sein." Bekanntester Vertreter des Schauspieler-Clans ist Macaulay Culkin, der in den Neunzigern mit "Kevin allein zu Haus" zum höchstbezahlten Kinderstar der Filmgeschichte aufstieg. Doch dieser Status hatte seinen Preis: "Mit 14 war ich so ausgebrannt, daß ich nie wieder schauspielern wollte".

Das verdankt er seinem Vater Kit. Mitte der achtziger Jahre schlug der sich als Meßner einer New Yorker Pfarrei durch. Sein Gehalt und die Einnahmen seiner Lebensgefährtin Patricia Brentrup reichten nur notdürftig, um die neunköpfige Familie durchzubringen. Die sieben Kinder teilten sich einen Flur mit Stockbetten. Dann schlug eine Theaterinspizientin den sechsjährigen Macaulay für eine Rolle vor. Regisseur Billy erinnert sich: "Seine Familie war so arm. Nach den Aufführungen kroch er immer unter die Tribüne, um nach dem Kleingeld zu suchen, das die Besucher verloren hatten."

1988 hatte er das nicht mehr nötig: In "Rocket Gibraltar" spielte Culkin Junior den Enkel von Burt Lancaster. Zwei Jahre später erreichte er selbst den Olymp. "Kevin allein zu Haus" wurde zur erfolgreichsten Komödie aller Zeiten - und der Zehnjährige zum Spielball für die Medien und seinen Vater. Kit Culkin gab seinen Job auf und setzte alles dran, aus seinem Sohn und dessen Brüdern Kapital zu schlagen. Kieran Culkin durfte einen der Kevin-Brüder spielen, Schwester Quinn bekam eine Nebenrolle im Thriller "Das zweite Gesicht", in dem auch der vierjährige Rory sein Debüt hatte.

Widerspruch duldete der Vater nicht. "Nach einiger Zeit hatte ich keine Lust mehr, drei Monate von zu Hause weg zu sein. Außerdem war es mir zuviel Streß, gleichzeitig zu drehen und für die Schule zu lernen. Aber mein Vater ließ mir keine Wahl", sagt Kieran Culkin.

Schon früher war Kit Culkin bei seinen Kindern die Hand ausgerutscht, doch mit Beginn der Hollywood-Karriere wurde es laut Macaulay Culkin "viel, viel schlimmer". Auch psychischer Druck gehörte zu den Waffen. So zwang Vater Kit seinen Sohn auch mal auf dem Sofa zu übernachten, nur um zu zeigen, wer zu Hause das Sagen hatte. In dieser Zeit fand Macaulay einen Verbündeten: In Michael Jackson entdeckte er einen Seelenverwandten - einen Mann, der selbst von seinem Vater traumatisiert worden war. Auf der Neverland-Ranch konnte er Medienrummel und familiärem Streß entfliehen. Macauly ist Pate von Jacksons Kindern. Daß er die Vorwürfe im aktuellen Prozeß gegen Jackson als "lächerlich" bezeichnete, muß nicht erstaunen.

Damals half den Kindern ihre Mutter. Patricia Bentrup beantragte 1995 das alleinige Sorgerecht. Kit Culkin verabschiedete sich aus der Familie. Macaulay Culkin ging auf die Highschool. Kieran Culkin fand Rollen, mit denen er sich endlich identifizieren konnte. Sein Durchbruch war 1997 "The Mighty", wo er an der Seite von Sharon Stone in der Rolle eines behinderten Jungen brillierte. Vater Kit wurde per Gericht vom Dreh ferngehalten.

Der Film "The Mighty" entfachte bei Macaulay Culkin wieder die Lust am Schauspielen. 2000 trat er in "Madame Melville" im Londoner Vaudeville-Theater als ein 15jähriger auf, der von seiner Literaturlehrerin verführt wird und gegen einen übermächtigen Vater kämpft. Die englischen Zeitungen lobten seine "sichere Bühnenpräsenz" und "superbe Leistung". Vater Kit besuchte zwei Aufführungen heimlich. Doch nach wie vor haben die Geschwister keinen Kontakt zu ihm. "Er hat mich gelehrt, wie man sich Kindern gegenüber nicht verhalten sollte", so Macaulay Culkin. Was nicht heißt, daß er seine Karriere bereut. Immerhin baute er ein Vermögen von rund 17 Millionen Dollar auf. "Daß mich mein Vater zu so einem Leben getrieben hat, hatte auch sein Gutes", gibt er zu. So kann er es sich leisten, auch in kleineren Filmen aufzutreten - etwa in "Saved", einer Satire über christliche Fundamentalisten. Sein Fazit: "Ich bin jetzt so glücklich wie nie zuvor in meinem Leben."

Doch der glücklichste der Culkin-Brüder ist wohl Rory. Dank der Familien-Tradition rutschte er fast automatisch in die Schauspielerei hinein: "Ich dachte, alle Kinder machen so etwas." Weil er erst sechs war, als seine Eltern sich trennten, blieb ihm das Regime seines Vaters weitgehend erspart: "Ich kenne es praktisch nur aus den Erzählungen meiner Brüder", sagt er.

Rory Culkin gilt heute sogar als der Begabteste des Clans. Er spielte schon an der Seite von Mel Gibson im Alien-Thriller "Signs". In Cannes feierte gerade "Down in the Valley" Premiere, wo er mit Edward Norton zu sehen ist, und vor wenigen Wochen drehte er einen Film mit Robin Williams ab.

Wer ihn in "Mean Creek" sieht, kann verstehen, warum sich halb Hollywood um ihn reißt. Mit erstaunlicher Sensibilität spielt er einen schwächlichen Schüler, der sich an einem tyrannischen Schlägertypen rächen will. Wenn es mit seiner Karriere so weitergeht, dann erfüllt sich wohl auch der größte Wunsch des 16jährigen: "Ich möchte endlich von dieser ganzen Familiengeschichte wegkommen. Hoffentlich erlebe ich einmal den Tag, wo das niemanden mehr interessiert."

Der glücklichglückliche Freundfreund (taz, 18.09.2004)

Macaulay Culkin war der Kinderstar des Mainstream-Kinos. Culkin war "Kevin, allein zu Haus". Mit "Saved" ist er jetzt nach zehn Jahren wieder im deutschen Kino zu sehen: lässig, böse, kettenrauchend, aber mit demselben Lachen. Eine Annäherung an den Seelenfreund aus Kindertagen

Es ist das Bild eines kleinen Prinzen. Blonde Strähnen fallen an die schmalen Augenbrauen. Ein Freudenschrei streckt Augen und Mund weit. Der hübsche Schelm heißt Macaulay Culkin. Das ist die eine Geschichte. In der anderen, die zuerst erzählt werden muss, trägt der Junge auf dem Bild den Namen Kevin McAllister.

Kevin ist der achtjährige Junge, der damals, Anfang der Neunziger, vielen jungen Augen ein guter Freund wird. Denn was ihm passiert, kennen die, die ihm dabei zusehen, leider gut: Eltern und ältere Geschwister, die Sätze sagen, die dich wie ein Messer ins Herz treffen, dass dein Atem schleudert und du mit taumeligen Füßen in die Einsamkeit deines Zimmers stolperst. Dein Globus zeigt seine böse Seite. Das ist noch neu und du reagierst instinktiv und einzig richtig. "Ich - will - euch - nie - wieder - sehen!", schreit Kevin. Und plötzlich ist da eine gute Fee, erhört den kleinen Prinzen, und weg ist die Familie. Ohne Kevin auf dem Weg zum Weihnachtsflug nach Paris. Wer weiß noch, ob man sich das wirklich so gewünscht hätte, damals, 1990, als Achtjähriger. Nach einer Schauersekunde aber hätte vieles sehr viel Spaß gemacht: der Rutsch durch die Kurven des Treppengeländers, der Rückstoß des Luftgewehrs und vielleicht auch die Bunny-Bilder in Bruders Playboy. Kevin McAllister war der Seelenfreund, der sich in der Nachbarschaft nicht finden ließ.

Macaulay Culkin hat wahnsinnig lange Wimpern. Seine Hände fliegen, zünden eine neue Marlboro light an. Er trägt ein Strokes-T-Shirt. Wir treffen uns während der Berlinale im letzten Jahr, und jetzt ist das Gespräch bei Kevin gelandet, bei diesem Kevin-Bild, das da im Kopf geblieben ist. "Es ist sehr, sehr lange her, dass ich mir das angesehen habe." Tief verschwindet der Zigarettenfilter zwischen seinen Lippen. Auf dem angespannten Unterarm treten die Venen hervor. Es schmerzt noch immer. Das Bild erzählt jetzt seine zweite Geschichte, und die handelt vom kleinen Prinzen, dessen Lachen verkauft wurde, der mit fünf für Gillette wirbt und, als er sieben ist, weint. Da dreht er gerade mit Burt Lancaster eine Szene für "Rocket Gibraltar". Sein erster Kinofilm, dem in nur sechs Jahren vierzehn weitere folgen. Sie machen ihn zum bekanntesten Kind der Welt und zu einem der vermögendsten. Vor allem aber zu einem der traurigsten. "Zum Schluss waren die Tage nur noch eine endlose Abfolge des Gleichen. Morgens in der Limo zum Dreh, Make-up, Sätze aufsagen, abends neuen Text lernen", so Culkin.

1994 tut er etwas sehr Mutiges für einen Vierzehnjährigen, um den eine bizarre Industrie aus Bettwäsche, Stoffpuppen und Computerspielen gebaut wurde: Er zieht die Handbremse. Culkin spielt in keinem Film mehr, verbietet seinem Vater, der ihn als Kind geschlagen hat und ehrgeizig seine Karriere vorantrieb, gerichtlich den Kontakt. "Von ihm habe ich gelernt, wie ich meine Frau und meine Kinder bestimmt nicht behandeln möchte", sagt er.

Ein Prinz auf Plateauschuhen

"Richie Rich" heißt sein letzter Film. Darin spielt er einen superreichen Jungen, der Claudia Schiffer rumkommandiert, fremde Kinder in seinen eigenen McDonalds einlädt und sie mit einer Achterbahn, die durch das Kinderzimmer fährt, beeindrucken will. Ein sehr einsamer, trauriger Charakter. Vor und hinter der Kamera. Um das Bild vom kleinen Schelm zu retten, mussten alle erwachsenen Schauspieler mindestens 1,80 Meter groß sein. Es wird sein letzter Auftritt als Kevin. "Lass uns bitte nicht über diesen schrecklichen Streifen reden", sagt er. Er zündet sich eine neue Zigarette an. Der Mann raucht Kette.

Auch in "Saved", dem neuen Macaulay-Culkin-Film, der diese Woche im deutschen Kino angelaufen ist - der erste nach über zehn Jahren. Produziert von Michael Stipe, persifliert Regisseur Brian Dannelly den für europäische Augen schwer begreifbaren Wahnsinn einer christlichen Highschool, an der All American Girls ihre Tage damit zubringen, schwulen Freunden und schwangeren Freundinnen den Satan auszutreiben. Macaulay spielt den im Rollstuhl sitzenden Bruder der Oberheiligen. Sehr lässig radiert er am Steuer eines Mustangs eine dicke Spur auf den Asphalt. Eine irritierend interessante Rolle für einen jungen Mann, der aussieht wie ein etwas größer gewordener Kinderfreund. Was ist nur mit Macaulay Culkin passiert?

Während der Berlinale 2003: Es ist Nacht. In der Stadt toben die Premieren- Partys neuer Filme. Die meisten Gesichter feiern irgendwo "Good bye, Lenin!", Klaus Wowereit lässt sich mit Nicolas Cage fotografieren. Am fröhlichsten ist es aber im Riverside-Club in der Friedrichstraße auf der "Party Monster"-Feier. Irgendwann mitten in der Nacht zerspringt auf der völlig überfüllten Toilette ein Spiegel. Eine große Person, gekleidet als Krankenschwestern-Drag, hat ihn effektvoll auf den Boden geschmettert. Tausend und eine Scherbe. Alle strahlen.

In der Mitte leuchtet ein junger Mann, der sein Lachen zurückerobert hat. Sein Name ist Macaulay Culkin, ein junger, äußerst talentierter Schauspieler. In seinem Comeback-Film "Party Monster", der in Deutschland (wie viele gute Filme) keinen Verleih findet, spielt er Michael Alig, eine Legende der New Yorker Nacht und Ikone der Clubkids. Es ist sein erster Film, bei dem er zuvor das Drehbuch las. Die Rolle dürfte ihm also etwas bedeutet haben. Der Kinderstar des Mainstream wandelt sich zum hoffnungsvollen Stern des Avantgarde-Kinos. Ein Bild vom Set zeigt: Auf riesigen Plateauschuhen steht ein kleiner Prinz. Am Körper nur eine tiefsitzende weiße Unterhose und ein zerfetztes Shirt. In der einen Hand ein Cocktail, in der anderen die Crackpfeife. Breites Grinsen im Gesicht.

Culkin spielt Alig als klassischen Außenseiter. Aufgewachsen in einer kleinen Stadt im mittleren Westen, seiner verdrehten Wahrnehmung wegen unverstanden, zieht er mit Anfang 20 nach New York. Erfindet sich selbst als Veranstalter der Disco 2000 und wird bald als Andy Warhols Nachfolger gefeiert. Ein Superfreak. "Diese unglaubliche Kraft, mit der Alig seine eigene bunte Welt erschaffen hat, ist faszinierend", erklärt Culkin: " ,Ich bin ein Stern in dieser traurigen Welt' zu sagen und es zu sein, weil du dran glaubst …"

Nach seinem Abschied vom Kinderstar-Geschäft lernte Macaulay Culkin etwas ihm bis dahin Unbekanntes kennen: Freiheit. Er färbt sich die Haare bunt und hat wochenlang grellen Spaß an einem antiken Gehstock aus Ebenholz mit Silberknauf, gekauft mit seiner ersten Kreditkarte. Bald versucht er zum ersten Mal so etwas wie Gewöhnlichkeit in sein Leben zu pflanzen, er besucht eine normale Schule. Doch das geht nicht lange gut. Sein Gesicht ist zu berühmt. Das verkaufte Lachen ist ein Fluch. Überall wird er erkannt, fotografiert, beobachtet. Wie soll er auch funktionieren, der Wechsel auf die Spur des Normalen? Sein bester Freund ist Michael Jackson, ein Mann mit ähnlich verdrehter Kindheit. Culkin ist Patenonkel von Jacksons Kindern Prince Michael und Paris. "Michael ist nach wie vor ein Kind. Ich bin es auch. Es scheint, als würden wir beide immer acht Jahre alt bleiben, weil wir nie acht sein konnten, als wir es wirklich waren", erklärt er sich das.

Lust an der eigenen Spucke

Eines Tages ruft CNN bei seinem Anwalt an: Ob es stimme, dass Macaulay den Drogentod gewählt hat? "Alles Quatsch, ich war nie selbstzerstörerisch", sagt er. Ein, zwei Joints raucht er gern. Die meiste Zeit sitze Macaulay in seinem Apartment im New Yorker Greenwich Village und schaue fern. Er hat alle Folgen der "Simpsons" gesehen, sein Lieblingsfilm ist "Frühstück bei Tiffany". "Ich saß rum und überlegte, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen möchte." Geld spielt dabei keine Rolle. An seinem 18. Geburtstag kann er über ein Vermögen von 17 Millionen Dollar verfügen. Im gleichen Jahr heiratet er die Schauspielerin Rachel Miner. Sie sind inzwischen wieder geschieden.

Ein Fehler? "Oh nein", seine Stimme kratzt empört, "das war eine große Liebe, ich habe so viel über mich gelernt." Es ist ihm wichtig zu bekräftigen, dass er "nichts, aber auch gar nichts" in seinem Leben bereut. "Wäre alles nicht so passiert, ich wäre heute nicht der, der ich bin." Glücklich sei er - oder "glücklichglücklich". Culkin sagt die Worte zur Bekräftigung gern doppelt.

Nächstes Frühjahr erscheint sein erster Buch. "Junior" heißt es und ist ein zum Teil autobiografischer Roman. Wertvollster Trumpf seiner guten Laune aber ist die wiedergewonnene Freude an seinem größten Talent, der Schauspielerei. Der Sicherheit, mit der er inzwischen seine Rollen wählt. Richtige Freunde haben ihm dabei geholfen. Harmony Korine, einer der intelligentesten Filmemacher Amerikas, veröffentlichte ein Fanbuch ("The Bad Son"). Es ist Macaulays dunkler Wesensseite gewidmet, die freudig mit der dunklen Kraft seiner Seele spielt. In einem Video der New Yorker Band Sonic Youth kreist er minutenlang seine Zunge zwischen den wie aufgestochen glänzenden roten Lippen hin und her. Auf einer Terry-Richardson-Fotoserie dokumentiert er seine Lust an der eigenen Spucke.

"Die dunklen Seiten interessieren mich", sagt er. Ich frage ihn: "Böses zu tun ist wie Fliegen, die totale Freiheit?" (Das ist ein Macaulay-Culkin-Zitat aus dem besten seiner frühen Filme, "Das zweite Gesicht", in dem er einen Kinderpsychopathen spielt). Macaulay Culkin lacht und kontert ironisch. Erzählt von der Freude, die er empfindet, wenn er mit seinem Onkel auf der Jagd in North Dakota ein Gewehr abfeuert. "Waffen abzufeuern erregt mich. Da hast du deine Überschrift!" Er lacht dieses typische Macaulay-Culkin-Lachen. Die schräg nach oben geschraubten Oktaven füllen einen Raum.

Meldung vom  Juli 2004

Vom Kinderstar zum Homo-Idol
Macaulay Culkin beweist derzeit einen guten Riecher für homophile Filmprojekte, und züchtet sich damit eine gestandene schwule Fangemeinde heran. Sogar Porno-Provokateur Bruce LaBruce würde gerne mal mit dem 23-Jährigen in die Kiste. Jetzt sprach der Ex-Kinderstar über 'Gay Issues'.

Fast zehn Jahre lang war er von der Leinwand verschwunden, seit letztem Jahr jedoch startet Macaulay Culkin wieder richtig durch - und landet einen schwulen Brüller nach dem anderen. Die Gayclub-Groteske 'Party Monster' machte den Anfang, weiter ging es mit einem Gastauftritt in der Homo-Serie 'Will & Grace' und jetzt kommt 'Saved'. Der MGM-Film, der erst im September in Belgien seine Europa-Premiere feiern wird, handelt von einer durchgeknallten Truppe hyperchristlicher Teenager und wurde von dem schwulen R.E.M.-Frontmann Michael Stipe co-produziert. Macaulay spielt darin einen eigensinnigen Jungen im Rollstuhl, den er selbst als eine Karikatur des Klischees vom 'stillen Krüppel' charakterisiert. Als solcher wird er Zeuge, wie ein hübsches Highschool-Girl nicht nur feststellen muss, dass sie schwanger ist, sondern auch, dass ihr Boy-friend schwul ist.

Drei Gay-Projekte in Folge, also. Ist da etwa ein bevorstehendes Coming Out im Busch? "Ich habe mir gar keine Gedanken gemacht, dass alle drei Filme mit schwulen Themen in Verbindung stehen, obwohl das stimmt", sagte Culkin im Interview mit gay.com. "Aber ist auch egal. Ich habe keine Probleme mit Schwulen." So gibt er auch ganz offen zu, dass der Großteil seiner Fanpost aus der Homo-Ecke kommt. "Das schmeichelt mir sehr."
Und mit welchem Mann könnte sich Culkin eine heiße Bettszene vorstellen? "Naja, ich bin wirklich absolut hetero, aber mit Johnny Depp würde ich trotzdem schlafen." Also, kein Coming Out, aber dafür einen guten Geschmack. Bei den Homo-Filmfestivals im Herbst wird 'Saved' auch in Deutschland zu sehen sein.

Meldung vom 07. Juli 2004

Was macht eigentlich...Macaulay Culkin
Vor 14 Jahren wurde der Amerikaner mit "Kevin - allein zu Haus" zum erfolgreichsten Kinderstar aller Zeiten. Als Jugendlicher aber litt er unter den Folgen des frühen Ruhms

Zur Person:

Macaulay Culkin wurde am 26. August 1980 in New York als drittes von sieben Kindern geboren. Macaulays ehrgeiziger Vater Christopher zerrte den Jungen im Alter von vier Jahren auf kleine Bühnen. Der Welterfolg "Kevin - allein zu Haus" machte Macaulay 1990 dann über Nacht zum Hollywoodstar; der Film spielte in den USA 285 Millionen Dollar ein. Nachdem sich seine Eltern 1995 getrennt hatten und eine erbitterte Schlacht um das Sorgerecht ausfochten, ließ er beiden Elternteilen gerichtlich das Zugriffsrecht auf sein Vermögen entziehen. Es wird auf rund 20 Millionen Dollar geschätzt. Im vergangenen Jahr drehte Culkin nach neun Jahren Pause mit "Party Monster" seinen ersten Film als erwachsener Schauspieler.

Das Interview mit Macaulay Culkin führte Andreas Renner
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Vor zehn Jahren haben Sie verkündet, nie mehr Filme drehen zu wollen. Da waren Sie 14.
Ich war Sklave meines geldgeilen Vaters und der Filmindustrie, die mich ausgequetscht haben wie eine Orange. Als ich dann in die Pubertät kam, bin ich aufgewacht. Sehen Sie, ich hatte ja nie den Wunsch, als Schauspieler zu arbeiten.

Dafür ging es aber früh los mit dem Geschäft.
Als ich acht war, hat man mich neben Burt Lancaster vor eine Kamera gestellt und gesagt, was ich tun sollte. Sicher, es war eine aufregende und spannende Zeit, aber der Rummel hat nicht nur mich als Kind beeinflusst, sondern auch mein gesamtes Umfeld.

Dann sind Sie ausgebrochen.
Ich wollte das Leben eines normalen Teenagers leben, die High School besuchen und Dinge tun, die andere Jungs auch tun. Jetzt genieße ich es, eigene Entscheidungen treffen zu können.

Es war zu lesen, Sie hätten sich dem Drogenrausch hingegeben, waren seelisch ein Wrack?
Ich war an der Schwelle zum emotionalen Wrack. Wenn man mit 14 realisiert, dass man jahrelang nur als Marionette gedient hat, damit andere sich die Taschen füllen können, hinterlässt das Spuren. Und wenn man dann noch erkennt, dass der eigene Vater einen regelmäßig misshandelt hat, macht das die Situation nicht eben leichter für einen Halbwüchsigen. Dazu kam, dass ich keinen Schritt aus dem Haus machen konnte, ohne dass mich jemand erkannte. Das alles war mir so zuwider, dass ich mich komplett abkapselte. Manchmal verließ ich das Haus zwei Wochen lang nicht. Aber: Ich war nie drogenabhängig, ich war nie im Knast, habe mein Geld nicht versoffen und bin auch nicht schwul. Ich wollte einfach nur meine Ruhe.

Sie haben 1995 eine Klage gegen Ihre Eltern eingeleitet, um ihnen das Sorgerecht zu entziehen. Warum?
Nachdem sich meine Eltern getrennt hatten, begann ein erbitterter Kampf um das Sorgerecht für die Kinder. Dabei haben die beiden ein Vermögen für Anwaltskosten ausgegeben. Ich wollte verhindern, dass sie in ihrem Wahn auch das Geld, das ich mit meinen Filmen verdient hatte, den Anwälten in den Rachen schieben.

Als Teenager haben Sie viel Zeit auf Michael Jacksons "Neverland Ranch" verbracht. Ist Ihnen da jemals etwas merkwürdig vorgekommen?
Nichts, ganz ehrlich. Neverland war für mich einer der wenigen Plätze auf dieser Welt, an dem ich mich wirklich rundherum sicher gefühlt habe. Da ist nie etwas Unsittliches passiert. Uns verband immer die Tatsache, dass wir beide als Kinder von unseren Vätern misshandelt worden waren.

Sie haben in jungen Jahren viel Geld verdient, müssen Sie noch arbeiten?
Nein, ich habe ausgesorgt, Geld ist absolut kein Antrieb mehr für mich. Im Gegenteil, ich bin sogar bereit, Geld zu investieren, wenn ich nur wirklich gute Rollen spielen kann. So wie bei meinem ersten Filmprojekt als Erwachsener in "Party Monster", in dem ich den Partyorganisator Michael Alig darstelle, eine Gesellschaftsgröße im New York der 80er Jahre, der einen Freund zerstückelt hat.

Und nun?
Im August kommt mein neuer Film "Saved!" in die Kinos. Und ich habe einen Pilotfilm für eine Fernsehserie abgedreht, aber ob etwas daraus wird, muss man abwarten. Ansonsten genieße ich mit meiner Freundin Mila Kunis das Leben. Ich lasse mich nicht mehr hetzen, ich kann auch ganz gut ohne das Showbusiness bestehen. Ich habe meine Lektion gelernt, glauben Sie mir.

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